Modulare Qualifizierung

Modulare Qualifizierung: Was ist das?

Das deutsche Berufsbildungssystem verfolgt nach § 1 Abs. 3 des Berufsbildungsgesetzes das Ziel einer in sich geschlossenen, ganzheitlichen Berufsbildung, deren Kernpunkte die Orientierung an Berufsbildern und die Vermittlung einer vollständigen beruflichen Handlungsfähigkeit sind. Um den Bedarfslagen bestimmter Zielgruppen zu entsprechen, wurden in der jüngeren Vergangenheit allerdings auch ergänzende Konzepte einer modularen Qualifizierung entwickelt. Diese Konzepte sind dadurch gekennzeichnet, dass in sich abgeschlossene Qualifikationsmodule einzeln belegt und zertifiziert sowie mit anderen Modulen zu einem beruflichen Qualifikationsprofil kombiniert werden können. Da die Qualifikationsmodule aus einem übergeordneten beruflichen Bezugsrahmen – dies kann ein etabliertes Berufsbild oder ein noch nicht beruflich geordnetes Tätigkeitsfeld sein – abgeleitet werden, sind sie unter dem Begriff „Teilqualifikation“ bekannt.

Konstruktionsprinzipien modularer Qualifizierung

Eine nähere Eingrenzung des Begriffs der Teilqualifikation kann anhand der Strukturprinzipien erfolgen, die die Bundesagentur für Arbeit als Voraussetzung für die Förderfähigkeit festgesetzt hat.

Demnach müssen Teilqualifikationen

inhaltlich an geregelten Ausbildungsberufen ausgerichtet sein und in ihrer Summe alle Positionen des Berufsbildes abdecken, wie es sich aus der Ausbildungsverordnung und dem Rahmenlehrplan ergibt

auf die Herstellung beruflicher Handlungsfähigkeit ausgerichtet und auf die Bedürfnisse von Geringqualifizierten abgestimmt sein;

im Sinne der Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt auf konkrete betriebliche Handlungsfelder zugeschnitten sein, die entsprechenden Arbeits- und Geschäftsprozesse berücksichtigen und die erforderlichen Kompetenzen abdecken;

eine individuelle Feststellung der im Rahmen der Teilqualifikation erworbenen Kompetenzen beinhalten und

zu einem strukturierten und aussagefähigen Zertifikat führen, welches Angaben zu Praktikumsbetrieb und –dauer, zum vorhandenen Kompetenzprofil und zu gegebenenfalls erworbenen Berechtigungen enthält.

Teilqualifikationen haben eine Dauer von mindestens zwei und höchstens sechs Monaten. Die Anzahl der Teilqualifikationen pro Beruf ist mit fünf bis acht vorgegeben; als Richtwert für die Gesamtdauer aller TQ eines Berufes ist eine Größenordnung von zwei Dritteln der regulären Ausbildungszeit vorgesehen. Alle Teilqualifikationen enthalten obligatorische betriebliche Praxisanteile, die mindestens ein Viertel des Umfangs der jeweiligen TQ umfassen.

Modulare Qualifizierung: Was bringt das?

Durch modulare Formen der Qualifizierung wird vor allem das Ziel verfolgt, die Integration von An- und Ungelernten in den ersten Arbeitsmarkt durch eine passgenaue Qualifizierung zu verbessern, die mittelfristig auch den Erwerb eines vollwertigen Berufsabschlusses ermöglicht. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen „Teilqualifikationen“ daher einer dreifachen Zweckbestimmung entsprechen:
(1) Sie müssen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen umfassen, die auf eine geregelte Berufsausbildung angerechnet werden können.
(2) Sie müssen in ihrer Summe Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen umfassen, die eine Zulassung zur Externenprüfung zum Erwerb eines Berufsabschlusses ermöglichen.
(3) Sie sollen zugleich auf dem Arbeitsmarkt unmittelbar verwertbar sein, indem sie die Inhaber bereits vor der Erlangung des Berufsabschlusses zur qualifizierten Arbeit in abgegrenzten betrieblichen Tätigkeitsbereichen befähigen.

Mit Blick auf die Unterstützung, die der Ansatz von den zentralen Arbeitsmarktakteuren erfährt, kann davon gesprochen werden, dass sich der Einsatz von modularer Qualifizierung in der beruflichen Bildung bewährt hat. Die Bundesagentur für Arbeit beurteilt zertifizierte Teilqualifikationen sowohl als effektiv im Hinblick auf die unmittelbare Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit als auch als geeignetes Mittel, um den mittelfristigen Erwerb eines Berufsabschlusses zu unterstützen. Damit sind modulare Formen der Qualifizierung aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit ein wesentlicher Baustein, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Good Practice-Beispiele für den Einsatz von modularer Qualifizierung zur Integration von An- und Ungelernten in den Arbeitsmarkt sind z.B. das Kölner Bildungsmodell, die DIHK Pilotinitiative zur Zertifizierung von Teilqualifizierungen sowie Qualifizierungsprojekte des SANQ e.V. in Berlin oder von SmartWork in Frankfurt.

Modulare Qualifizierung: Woher kommt das?

Die Möglichkeiten einer Modularisierung beruflicher Bildung, d.h. einer Gliederung beruflicher Bildungsgänge in kleinere Teilgebiete mit der Option, diese auch einzeln prüfen und zertifizieren zu können, werden etwa seit Mitte der 2000er-Jahre durch Akteure aus Fachwissenschaft und Fachpolitik intensiv als eine Strategie zur Verbesserung des Übergangs in Ausbildung und Beschäftigung diskutiert.

Beginnend mit dem Gutachten „Flexible Ausbildungswege in der Berufsbildung“ und der darauf aufbauenden Pilotinitiative des BMBF zur Entwicklung von Ausbildungsbausteinen, wurden Teilqualifikationen in den vergangenen zehn Jahren als Mittel zur Verbesserung der Beschäftigungsaussichten von An- und Ungelernten erforscht und für zahlreiche Berufsfelder bereitgestellt.

Modulare Qualifizierung: Wer macht das?

BMBF/BIBB (JOBSTARTER CONNECT)

Das Programm JOBSTARTER CONNECT wurde in Anknüpfung an eine Pilotinitiative des BMBF aufgelegt, um die vom BIBB im Auftrag des BMBF entwickelten Ausbildungsbausteine in der Praxis zu erproben. In zwei Förderrunden (2008 und 2009) wurden insgesamt 41 Pilotprojekte gefördert, in deren Rahmen für zunächst 14 Ausbildungsberufe entsprechende Ausbildungsbausteine entwickelt und erprobt wurden. Für weitere acht Berufe wurden bis 2015 ebenfalls Ausbildungsbausteine entwickelt. Nach dem bereits im Rahmen der BMBF-Pilotinitiative erarbeiteten Grundkonzept des BIBB basiert die Entwicklung der Ausbildungsbausteine auf fünf Prinzipien: (1) Orientierung an den geltenden Ordnungsmitteln, (2) Orientierung am Berufsprinzip, (3) Orientierung am Konzept der beruflichen Handlungsfähigkeit, (4) Orientierung an Lernergebnissen, (5) Orientierung am Prinzip der vollständigen Handlung. Erprobt wurden die Ausbildungsbausteine in verschiedenen Maßnahmenbereichen, wobei die höchsten Teilnehmerzahlen in berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und in der integrativen außerbetrieblichen Ausbildung anfielen. Die Gesamtzahl der Teilnehmer belief sich bis Ende 2013 auf knapp 4400 Personen.

Bundesagentur für Arbeit „berufsanschlussfähige Teilqualifikationen“

Die Bundesagentur für Arbeit hat im Rahmen des Projekts „Optimierung der Qualifizierungsangebote für gering qualifizierte Arbeitslose“ in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) ein Konzept für berufsanschlussfähige Teilqualifikationen entwickelt, das von 2010 bis 2012 für zunächst fünf, später vier Berufe erprobt und in das Regelangebot für Geringqualifizierte über 25 Jahre überführt wurde. Die in diesem Rahmen entwickelten Teilqualifizierungen sollen sowohl einen eigenständigen Wert auf dem Arbeitsmarkt haben als auch auf dem Weg der Externenprüfung einen Berufsabschluss ermöglichen. Daher schloss das Konzept von Anfang an eine bundeseinheitliche Zertifizierung ein.

Die Teilqualifikationen der Bundesagentur für Arbeit basieren auf den bereits weiter oben genannten Konstruktionsprinzipien, die eine adäquate Berücksichtigung berufspädagogischer, arbeitsmarkt- und förderpolitischer und berufspraktischer Anforderungen gewährleisten sollen.

DIHK-Pilotinitiative „Zertifizierung von Teilqualifikationen“

Die Pilotinitiative „Zertifizierung von Teilqualifikationen“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertags wurde im März 2013 mit dem Ziel gestartet, Teilqualifikationen als Form der Nachqualifizierung junger Erwachsener ab 25 Jahren in Pilotprojekten zu erproben. Teilqualifikationen werden dabei ausdrücklich als Angebot für Personen verstanden, die für eine herkömmliche Berufsausbildung in der Regel nicht mehr in Betracht kommen, nicht jedoch als generelle Alternative zum dualen System. Grundsätzlich sieht die Initiative eine Zertifizierung der bereits existierenden Ausbildungsbausteine beziehungsweise Teilqualifikationen vor. Soweit für einen Ausbildungsberuf keine Teilqualifizierungen vorliegen, können von den Kammern in Abstimmung mit dem DIHK eigene Teilqualifikationskonzepte entwickelt werden; in diesem Fall werden die Konstruktionsprinzipien der BA zugrunde gelegt. An der Umsetzung der Pilotinitiative beteiligten sich zunächst 26 Industrie- und Handelskammern. Mit Abschluss einer externen Evaluation wurde die Pilotinitiative verstetigt. Seit Oktober 2017 unterstützt das Projekt „Chancen nutzen! Mit Teilqualifikationen Richtung Berufsabschluss“die Industrie- und Handelskammern (IHKs) bei der Umsetzung eines bundeseinheitlichen Teilqualifikationen Angebots.

Arbeitgeberinitiative „Eine TQ besser“

Die Arbeitgeberinitiative Teilqualifizierung ist eine Kooperation deutscher Arbeitgeberverbände und der Bildungswerke der deutschen Wirtschaft zur Vergabe zertifizierter Teilqualifikationen nach einheitlichen Qualitätsstandards. Das Angebot wird unter dem gemeinsamen Gütesiegel „Eine TQ besser“ vermarktet. Die von den Berufsbildungswerken nach den Konstruktionsprinzipien der Bundesagentur für Arbeit erarbeiteten Teilqualifikationen beziehen sich teils auf Berufe, für die daneben bereits Ausbildungsbausteine des BIBB oder Teilqualifikationen der BA vorliegen, teils auf andere Berufe. Die im Rahmen der Arbeitgeberinitiative vergebenen Teilqualifikationen entsprechen den Vorgaben der AZAV; die Zertifizierung erfolgt aufgrund einer Prüfung durch den jeweiligen Bildungsträger.